Vorwort.
Sämtliche Werke 20: Aus dem Dunkel der Großstadt • 第7章
Der Band enthält drei Jugendnovellen Dostojewskis: „Der Herr Prochartschin“ – „Polsunkoff“ – „Der ehrliche Dieb“, die erste aus dem Jahre 1846, die beiden letzteren aus dem Jahre 1848. Ferner sind da zwei Novellen des mittleren Dostojewski: „Eine dumme Geschichte“ aus dem Jahre 1862, und „Aus dem Dunkel der Großstadt“ aus dem Jahre 1864, beide geschrieben in der Zeit nach der Rückkehr Dostojewskis aus Sibirien. Schließlich folgen drei Novellen des späteren Dostojewski, die „Letzten Novellen“: „Bobock“ aus dem Jahre 1873, „Die Kleine“ aus dem Jahre 1876 und „Der Traum eines lächerlichen Menschen“ aus dem Jahre 1877. Die Zusammenstellung geschah unter dem Gesichtspunkte, daß alle Novellen in der Großstadt spielen und speziell Petersburg zum Hintergrund haben. Dieser Gesichtspunkt gab zugleich die Berechtigung, dem Bande die größte und wichtigste Novelle voranzustellen und ihm ihren Titel vorzuschreiben: „Aus dem Dunkel der Großstadt“.
Eine wörtliche Übertragung des russischen Titels dieser Novelle ging nicht an. Der russische Titel vereinigt in der Art, wie er von Dostojewski geprägt und zweifellos auch gedacht ist, das soziale und seelische Milieu in einem einzigen knappen Wort. Die deutsche Sprache bietet zu einer derartigen Vereinigung nicht die Möglichkeit. Das lokale Milieu allein würde etwa die Übertragung „Aus dem dunkelsten Winkel der Großstadt“ bedingen. Es klingt sozial, doch Soziales liegt der Novelle nur im allergeringsten Maße zu Grunde. Das seelische Milieu dagegen würde etwa eine Übertragung verlangen wie: „Aus dem dunkelsten Innern des Großstadtmenschen“. Aber hier wird wiederum das Intim-Persönliche zu stark betont. Einen Ausweg bot schließlich der gewählte Titel, der innerlich und seelisch ist, dabei den Ort angibt, und doch den Ort nicht zu realistisch-genau bezeichnet.
Die hier als „Letzte Novellen“ zusammengefaßten Erzählungen hat Dostojewski nicht als solche veröffentlicht. Sie stehen im „Tagebuch eines Schriftstellers aus dem Jahre 1873“, bezw. 1876, bezw. 1877, eingerahmt von literarischen und politischen Aufsätzen Dostojewskis. Ihre Entstehungszeit, die zwischen „Die Dämonen“ und „Die Brüder Karamasoff“ fällt, verbürgt schon ihren außerordentlichen Wert im Werke Dostojewskis. In der Tat gehört „Die Kleine“, die da wirkt wie ein lebendiges Heiligenbild aus dem modernen Petersburg, zu dem Schönsten, und „Der Traum eines lächerlichen Menschen“ zu dem Tiefsten, was Dostojewski geschrieben hat, während „Bobock“, dieses tolle Satyrspiel des Großstadtlebens, Dostojewski von einer ganz eigenartigen, seiner humoristischen, exzentrischen, grotesken Seite zeigt.
E. K. R.